Version: 16.05.2001

Weaning


Weaning ist ein äußerst wichtiger und schwieriger Prozeß, gerade bei Patienten, die langzeitbeatmet sind und eventuell noch ungünstige Faktoren mitbringen - wie z.B. eine chronische Lungenerkrankung. Klar ist auch, daß man einen Weaningprozeß nicht genau planen kann, da sich immer wieder neue Situationen ergeben können.
Sollte ein Patient einen längeren Zeitraum brauchen, um von der Beatmungsmaschiene abtrainiert werden zu können, lohnt es sich, erstmal ein klein wenig mehr Zeit und Arbeit zu investieren. Dies kann sich schnell auszahlen. Und ein guter, durchdachter Verlauf bringt nicht nur Vorteile für den Patienten, sondern ist sicher auch ökonomischer.
Zuerst sollten wir die Probleme sammeln, die einem unkomplizierten Verlauf im Wege stehen. Dies können z.B. sein:

  • Patient hat eigenen Atemantrieb mit einer regelmäßigen Frquenz, atmet aber zu flach
  • Patient atmet schnell und flach
  • Patient erschöpft sich schnell
  • Patient ist verschleimt, hat dann Luftnot
  • Patient ist verschleimt, hat keinen Hustenreiz
  • Patient ist unruhig/unkooperativ/verwirrt
  • Patient stört nasaler/oraler Tubus
  • Patient hat anatomische/pathologische Probleme
  • Patient hat keinen eigenen Atemantrieb


diese Liste ist sicher noch zu vervollständigen.

Nun müssen wir wissen, welche Probleme der Patient hat! Dazu gleich mehr. Erstmal noch ein Hilfsmittel, welches uns die Arbeit erleichtern kann. Bei chronisch Lungenkranken gibt es vielleicht noch eine BGA, die vor der akuten Dekompensation und der Beatmungstherapie gemacht wurde und die und angeben kann, mit welchen Blutgasen der Mensch vorher gelebt hat. Natürlich sollte man nicht die BGA nehmen, die kurz vor der Intubation gemacht wurde und sie sollte nicht schon Jahrzehnte alt sein. Es ist nachvollziehbar, daß man einen Patienten, der vorher mit einem pO2 von 50 gut gelebt hat und daran adaptiert war, nicht mit einem Zielwert von 100 weanen muß. Gerade bei schweren Abtrainingsversuchen sollte Toleranz und ein gutes Auge für die Klinik entscheidende Hilfsmittel sein.
Kommen wir zurück zu den Problemen. Wir müssen herausfinden - und zwar mit Fingerspitzengefühl - welche Probleme unser Patient hat. Aufgemerkt: Es kann natürlich auch eine Kombination aus vielen Problemen sein. Je mehr man davon hat, umso schwerer wird es.
Einige Probleme sind sicher leicht zu beheben. Zum Beispiel, daß der Patient irritiert ist über den Tubus im Mund. Langzeitbeatmete sollten nach Möglichkeit Tracheotomiert werden. Es erleichtert nicht nur den Prozeß des Weanings, die Toleranz gegenüber dieser Kanüle ist größer als gegen einen oralen Tubus. Medizinische Vorteile lassen sich bestimmt auch herleiten (z.B. kurzer Totraum). Ein entscheidender Nachteil ist die verbleibende gut sichtbare und auffällige Narbe die zurückbleibt und die für viele sicher entstellend wirkt!
Auch wenn ein Patient »nur« häufig massiv verschleimt ist, muß man ihn entsprechend häufig absaugen - vielleicht ist ihm damit schon geholfen.
Anders ist es, wenn er verschleimt ist, aber keinen Hustenreiz hat. Dies sehen wir schnell, wenn ein unsedierter, unrelaxierter Patient beim Absaugen nicht hustet - ganz schlechte Aussicht auf ein erfolgreiches Weaning. Eventuell sollte man hier über eine Tracheotomie, langfristige Beatmungsmöglichkeit und entsprechende Betreuung nachdenken - es sei denn, dieses Problem ist auf absehbare Zeit reversibel.

Tip: Absaugen nur so oft wie nötig. Weaningprozeß überdenken, wenn sich die respiratorische Situation aufgrund erhöhter Sekretbildung verschlechtert!!!
Auch eine Unruhe läßt sich mitunter mit einem wohldosierten Medikament in den Griff bekommen. Hierfür spräche eine Desorientiertheit im Rahmen eines Duchgangssyndroms - eventuell verbunden mit Aggressionen. Dagegen spricht, wenn der Patient einfach nicht weiß, wo er ist und was passiert, ihm mitunter die pure Angst packt. Hier ist pflegerisch vielleicht mit Worten und beruhigender Pflege beizukommen.

Tip: Bei der Anwendung von Medikamenten muß man darauf achten, daß sie nicht atemdepressiv machen und nicht sedieren sollten

Andere Probleme - wie die Atemleistung/der Atemantrieb - müssen erst mit viel Sensibilität herausgefunden werden. Man versucht in der Regel eine Spontanatmung. Eventuell mit Hilfe des Respirators - indem man eine assistierte Beatmungsform wählt (z.B. ASB, Flow-By), oder indem man den Patienten mit feuchter Nase atmet läßt und die Leistung mit entsprechenden Meßgeräten überprüft. Hier ist eine strenge Kontrolle der Klinik notwendig. Erschöpft sich der Patient, atmet er zu flach, zu schnell, garnicht? Auch eine BGA-Kontrolle sollte erfolgen, um zu sehen, ob CO2 retiniert wird und/oder der pO2 auf unzumutbare Werte sinkt. Dies alles sollte in einem solchen Rahmen erfolgen, daß der Patient nicht dekompensiert und Verschlechterungen so schnell wie nur irgend möglich abgefangen werden können.

Tip: Mitunter fängt der Patient nicht sofort an, spontan zu atmen. Eventuell muß erst ein gewisser Atemantrieb durch absinken des pO2 oder Anteigen des pCO2 erreicht werden. Hier unter Sichtkontrolle einer zuverlässigen peripheren O2-Messung Geduld bewahren. Jedoch den Patienten nicht dekompensieren lassen.

Bevor man eine solche Prüfung durchführt, sollte man ideale Rahmenbedingungen schaffen. Den Patienten vorher endotracheal absaugen (und erholen lassen), entsprechend respiratorisch günstig lagern (z.B. Kopftieflage ist u.U. ungünstig :-), Patient über bevorstehende Maßnahmen informieren (auch darüber, daß es eventuell am Anfang schwer ist, die Mühe sich für ihn aber letztlich rentiert).

Tip: Viele Patienten nach Langzeitbeatmung und schwerem, langfristigem Krankheitsverlauf sind schlicht lustlos und unmotiviert. Um hier eine entsprechend günstige Ausgangsposition zu schaffen, muß manchmal die Freude am Leben erst wieder gefunden werden. Sicher eine kreative Aufgabe für jede Schwester/jeden Pfleger. Hat der Patient noch Wünsche gehabt? Wollte er noch gerne irgendwohin verreisen? Wird er bald Großmutter/-vater? Steht ein Feiertag in der Familie an? Hat er sonstige Interessen? Die Möglichkeiten sind unendlich aber auch ebenso schwer zu entdecken. Manchmal ist es aber einfach auch nur wichtig mitzuteilen, daß es Fortschritte gibt!!!

Häufig stellt sich das Problem, daß sich der Patient schnell unter der Spontanatmung erschöpft. In diesem Fall muß man gelegentlich längerfristiger planen. Es gibt verschiedene Ansätze und Studien. Hier wird der Nutzen und Unnutzen von bestimmten (Be-)Atmungsformen hervorgehoben - wie z.B. SIMV. Welches das beste System ist, kann man nicht klar sagen. Dies muß immer für den Patienten individuell gefunden werden. Als Hilfestellung gibt es bestimmte Muster, nach denen man vorgehen kann. Auch hier werden bald einige vorgestellt.


Wann sollte eine Extubation versucht werden?
Auch hier gibt es verschiedene Denkansätze. Sinnvoll erscheinen mir folgende Werte:
FiO2 <40%
Besserung des radiologischen Befunds
Besserung der Klinik
Suffiziente Spontanatmung
Ausgeglichene BGA (alters- und krankheitsentsprechend)
Gleichgewicht zwischen Atemfrequenz und Atemzugvolumen
Ausgeglichene Stoffwechsellage (keine metabolische Alkalose/Azidose)
Reintubationsmöglichkeit
Sollte auf keinem Fall unterschätzt werden: Gewährleistung einer pflegerischen Betreuung!!!

Man kann eine relative hohe Atemfrequenz u.U. tolerieren, wenn die BGA akzeptabel erscheint und der Patient sich nicht erschöpft.


Seitenanfang | Impressum | Email
©2004 by André Gerdes