Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) - Behandlungsoptionen


Das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) ist eine Manifestation einer akuten Lungenschädigung, zuerst beschrieben 1967 von Ashbaugh et al.[5]. Ursprünglich als Adult Respiratory Distress Syndrome beschrieben wurde die Definition 1994 vom The American-European Consensus Committee on ARDS standardisiert und dass „Adult“ durch „Acute“ ersetzt, da das Syndrom in allen Altersklassen gefunden wird. Zusätzlich wurde der Begriff Acute Lung Injury (ALI) als mildere Form eingeführt.

Die Inzidenz wird unterschiedlich mit 3,5-4,5/100000 angegeben, die Mortalität liegt bei 40%. In der Intensivmedizin ist das ARDS ein häufig gesehenes Krankheitsbild, das bei bis zu 30% der Patienten auftritt.

Die Kriterien für das ARDS sind:

  • Akutes Auftreten
  • Oxygenierungsindex PaO2/FiO2 <200 mmHg (HOROWITZ-Index)
  • beidseitige Infiltrate in der anterior-posterior-Thoraxaufnahme
  • Lungenkapillarverschlussdruck (PCWP) <18 mmHg oder kein Hinweis auf eine Hypertension des linken Vorhofs
Die Kriterien für ALI entsprechen den ARDS-Kriterien bis auf den Punkt
  • Oxygenierungsindex PaO2/FiO2 <300 mmHg
ARDS tritt als Folge einer direkten oder indirekten Lungenschädigung auf. Etwa 75% der Erkrankungen werden den Ursachen Polytrauma, Pneumonie, Sepsis und Aspiration zugeschrieben. Weitere Ursachen können sein

Direkte Lungenschädigung

  • Aspiration von Salz-/Süßwasser ("Beinaheertrinken")
  • Inhalation toxischer Gase (z.B. Rauchgas)
  • Inhalation von hyperbarem Sauerstoff
Indirekte Lungenschädigung

  • Massentransfusion
  • Akute Pankreatitis
  • Medikamente
  • Verbrennungen
  • Schock ("Schocklunge")
Pathophysiologie

Vereinfacht werden, unabhängig von den auslösenden Faktoren, 3 Stadien unterschieden:

I) Exsudative Phase

Unter Einwirkung verschiedener Noxen kommt es innerhalb kürzester Zeit (Stunden) zur Schädigung des lungeneigenen Gefäßendothels und der Alveolarepithelzellen des Typs I, wodurch die Wand zwischen Lungenbläschen und Blutbahn durchgängig für Makromoleküle (Proteine), Zellen und vermehrter Flüssigkeit wird. Dadurch entwickelt sich ein proteinreiches interstitielles (zwischen Alveolar- und Kapillarwand) Ödem. Klinisch ist dieses Stadium durch eine Hypoxämie und einer Hyperventilation (PaO2 und PaCO2 runter, respiratorische Alkalose) gekennzeichnet

II) Frühe proliferative Phase

Alveolarzellen des Typs II gehen zugrunde, wodurch weniger Surface Active Agent (Surfactant) gebildet wird. Es folgt ein Flüßigkeitsübertritt in die Alveolen (alveoläres Lungenödem). Innerhalb der Alveolen und Alveolargänge bilden sich hyaline Membranen aus. In den Kapillaren finden sich Mikrothromben. Dieses Stadium kann möglicherweise reversibel verlaufen. Es kommt zu einer respiratorischen Verschlechterung mit zunehmender Atemnot und einer nachvollziehbaren radiologischen Veränderung der Lunge (beidseitige fleckige, streifige Verdichtung).

III) Späte proliferative Phase

In dieser Phase wird die Lunge fibrotisch umgebaut. Die Membran zwischen Alveole und Kapillar ist bis zum 5fachen verdickt. Es kommt zu einer Perfusions- und Diffusions- verschlechterung. Dieses Stadium hat oft einen tödlichen Verlauf und ist in der Regel irreversibel. Klinisch besteht eine Globalinsuffizienz (Hypoxämie und Hyperkapnie, PaO2 runter, PaCO2 rauf, respiratorische Azidose) und es kommt zu einer weiteren radiologischen Veränderung in Form von beidseitigen Verschattungen.

Therapie

Eine kausale Therapie steht für das ARDS nicht zur Verfügung. Vielmehr gibt es Behandlungsstrategien, die sich offenbar positiv auf den Verlauf des ARDS auswirken. Die wichtigsten sind:

Beatmung und alternative Verfahren

  • Lagerung
  • Medikamente
  • Ernährung
Im Verlauf des ARDS nimmt die Hypoxie zu und die meisten Patienten benötigen eine Intubation und Beatmung. Da die standardmäßig eingesetzte Beatmung nicht der physiologischen Atmung entspricht, kann auch diese zu Schädigung der Lunge führen, zum einen durch Überblähung und daraus resultierende Schäden (Barotrauma), zum anderen über Zytokine und Entzündungszellen vermittelte Schäden[1] (VILI, ventilator induced lung injury).

Es hat sich ein sogenanntes lungenprotektives Beatmungsverfahren für die Behandlung des ARDS empfohlen. Eine große Studie hat gezeigt, dass die Mortalität signifikant gesenkt werden kann (31% vs. 40%), wenn man mit 6ml/kg KG Volumen beatmet (vs. 12ml/kg KG)[2]. Dies kann mit einer permissiven Hyperkapnie einhergehen, der im Rahmen der Studie mit einer erhöhten Atemfrequenz bis 30/min begegnet wurde. Die lungenprotektive Beatmung sollte mit einem PEEP (positiver endexpiratorischer Druck) kombiniert werden, wobei das optimale PEEP-Niveau unklar ist, bisher zeigt sich kein Vorteil eines hohen PEEP (12-24 mmHg) gegenüber eines moderaten PEEP (5-24 mmHg)[6]. Auch der Einsatz von druckkontrollierter Beatmung mit der Integration von Spontanatmung bei APRV (airway pressure release ventilation) oder BIPAP (biphasic positive airway pressure) zeigte Vorteile[7], speziell die Beatmungs- und die Verweildauer auf der Intensivstation konnte verkürzt werden.

Aufgrund des Untergangs der Alveolarzellen Typ II, dessen Resultat ein Mangel an Surface Active Agent (Surfactant) ist, kommt es im Verlauf zur Zunahme der alveolären Oberflächenspannung und zum Kollabieren von Lungenarealen. Allein schon aus dieser Überlegung heraus scheint ein PEEP sinnvoll. Einen weiteren Schritt machte Lachmann 1992, der das „Open-lung-Konzept“ vorstellte, dessen Ziel es ist, über eine kurzzeitige Erhöhung des intrapulmonalen Drucks kollabierte Lungenareale zu öffnen und durch einen PEEP offen zu halten („open the lung and keep the lung open“[15]). Das Blähen der Lunge kann über einen Inspirationsdruck von 40-50cmH2O über 30-120s erfolgen. Aufgrund von Komplikationen wie Pneumothorax, und hämodynamische Störungen sollte das Konzept jedoch nicht unkritisch angewendet werden, zumal eine Verbesserung der Oxygenierung nicht deutlich gezeigt werden konnte[8].

Da Beatmung an sich wieder das Risiko einer Lungenschädigung mit sich bringt, liegt es nahe, sich nach Ersatzkonzepten umzuschauen. Eine alternative ist die nicht invasive Beatmung (NIV) über eine Maske oder Helm, die auch bei ARDS ausprobiert wird[3]. Hierzu gibt es aber bisher noch keine offizielle Empfehlung[4], da auch hier die Studienlage noch nicht eindeutig ist. Als weiteres nicht invasives (Be-)Atmungsverfahren wäre eine moderne Reaktivierung der „Eisernen Lunge“ (Iron Lung) denkbar.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz extrakorporaler Verfahren wie die ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung). Da dieses von der Herz-Lungen-Maschine (HLM) abgeleitete Verfahren, dass über eine venovenöse (oder – ungünstiger - venoarterielle) extrakoporale Kreislauferweiterung CO2 eliminieren und das Blut oxygenieren kann, nicht flächendeckend zur Verfügung steht und die Studienlage nicht eindeutig ist, ist es als ultima ratio bei Hypoxie empfohlen.

Weitere experimentelle Verfahren sind Hochfrequenzbeatmung (HFV, mit kleinsten Atemhubvolumina und sehr hoher Atemfrequenz) und die partielle Flüssigkeitsbeatmung (partial liquid ventilation, PLV), bei der die Lunge partiell mit Perfluorokarbonen gefüllt wird, welches eine sehr hohe Löslichkeit von Gasen bietet.

Neben der Beatmungstherapie bietet sich die Lagerungstherapie als unterstützende Maßnahme an. Insbesondere wird die Bauchlagerung für 6 oder mehr Stunden pro Tag bei Patienten mit schwersten ARDS empfohlen, da sich immerhin die Oxygenierung bessert[9]. Die Lagerung in einem Spezialbett mit einer kontinuierlichen 60° Rotation in die Seitenlage vermag vergleichbare Ergebnisse zu erzielen[10] und bietet sich bei schwersten ARDS als Alternative zur Bauchlagerung an. Kurz vor der Markteinführung befindet sich ein Spezialbett, was eine kontinuierliche Rotation auch in Bauchlage erlaubt (RotoProne®, KCI).

Medikamentös bietet sich von der Pathophysiologie her die Substitution von Surfactant an. Die Ergebnisse mit synthetischen oder Rindersurfactant zeigen keinen Benefit, so dass noch keine Empfehlung gegeben werden kann[16].

  • Lungenprotektive Beatmung
  • Positive end-expiratory Pressure (PEEP)
  • Spontanatmung unter Anwendung moderner Beatmungsverfahren (APRV, BIPAP)
  • Bauchlagerung und/oder Rotation in der Spätphase
  • ggf. ECMO
  • ggf. iNO
  • Glukokortikoide in der Spätphase
  • enterale Spezialdiät

Quellennachweis:
(1) Bueno et al. Ventilation with high tidal volume induces imflammatory lung injury Braz Journal of Medical und Biological Research 2002 35:191-198
(2) ARDS Network Ventilation with lower tidal volumes as compared with traditional tidal volumes for acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome NEJM 2000 342(18):1301-1308
(3) Antonelli et al. A comparison of noninvasive positive pressure ventilation and conventional mechanical ventilation in patients with acute respiratory failure NEJM 1998 339:429-435
(4) Burchardi et al. Konsensus-Statement zu Indikation, Möglichkeiten und Durchführung der nicht-invasiven Beatmung bei der akuten respiratorischen Insuffizienz Intensivmed 2001 38:611-621
(5) Ashbaugh et al. Acute respiratory distress in adults. 1967 Lancet 2:319-323
(6) ARDS Clinical Trials Network Higher vs. Lower End-Expiratory Pressures in Patients with the Acute Respiratory Distress Syndrome NEJM 2004 351(4):327-336
(7) Putensen et al. Long-term effects of spontaneous breathing during ventilatory support in patients with acute lung injury Am J Respir Crit Care Med 2001 164:43-49
(8) Villagra et al. Recruitment maneuvers during lung protective ventilation in acute respiratory distress syndrome 2002 AM J Respir Crit Care Med 165:165-170
(9) Gattinoni et al. Effect of prone positioning on the survival of patient with acute respiratory failure NEJM 2001 345:568-573
(10) Staudinger et al. Comparison of prone positioning and continous rorational therapy with respect to oxygenation and haemodynamics in patients suffering from adult respiratory distress syndrome 2001 Crit Care Med 29:51-56
(11) Kopp et al. Evidenzbasierte Medizin des akuten Lungenversagens 2003 Anaesthesist 52:195-203
(12) ARDS Study Group Effect of inhaled nitric oxide in patients with acute respiratory distress syndrome: results of a randomized phase II trial. 1998 Crit Care Med 26:15-23
(13) Meduri et al. Effect of prolonged methylprednisolone therapy in unresolving acute respiratory distress syndrome: a randomized controlled trial 1998 JAMA 280:159-165
(14) Gadek et al. Effect of enteral feeding with eicosapentaenoic acid, gamma-linolenic acid, and antioxidants in patients with acute respiratory distress syndrome
(15) Lachmann B Open the lung and keep the lung open, 1992 Intensive Care Med 18:319-321
(16) Spragg et al. Treatment of acute respiratory distress syndrome with recombinant surfactant protein C surfactant


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